Lage und Visionen der EU - München diskutierte eifrig

Der Bundestagsabgeordnete Dr. Toni HOFREITER, der Münchner Stadtrat Felix SPROLL und der Digital Creator Marcos MOSCHOVIDIS analysierten die Rede der Kommissionspräsidentin zur Lage der EU am 13. September 2023 im Café Luitpold in München.

Am 13. September 2023 hielt die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula VON DER LEYEN, vor dem Europäischen Parlament in Straßburg ihre letzte Rede zur Lage der EU vor der Europawahl 2024. Aus diesem Anlass lud das Verbindungsbüro des Europäischen Parlaments in München zu einem Livestreaming der Rede ins Café in München ein. An die 100 Gäste verfolgten die mehr als einstündige Rede über einen großen Bildschirm.

In ihrer “State of the European Union Address” (kurz SOTEU) legte die Kommissionspräsidentin die Leitlinien und Initiativen für das kommende Jahr fest. Schwerpunkte waren die Förderung der europäischen Lebensweise und der Demokratie unter Berücksichtigung von Klimawandel, Digitalisierung und Wirtschaft sowie die Stärkung Europas in der Welt. Im Rückblick auf das vergangene Jahr standen der Ukraine-Krieg, die Geflüchteten und die Energiekrise im Vordergrund. Dabei wurden laut Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen für 2023 alle Versprechen gehalten.


#SOTEU2023-Analyse: Experten-Diskussion in München

Im wunderschönen Palmengarten des Café Luitpold begrüßte nach der Live-Übertragung Cosima BARÓN, Kommunikationsexpertin des Verbindungsbüros des Europäischen Parlaments in München, die Gäste. Moderatorin Birgit BOESER, Leiterin der Europäischen Akademie Bayern, bat die Experten zu einer Analyse der Rede der Kommissionspräsidentin auf das Podium: den EU-Ausschussvorsitzenden im Deutschen Bundestag Dr. Toni HOFREITER, den Münchner Stadtrat Felix SPROLL, der auch Mitglied im Netzwerk „Europa fängt in der Gemeinde an“ ist, sowie Marcos MOSCHOVIDIS, Digital Creator und Gründer der Social-Media-Plattform #EUforYou. Dabei gab es zahlreiche Fragen zu den vielfältigen Inhalten, die gemeinsam erörtert wurden:

Wie lässt sich Artenschutz mit industriellen Zielen vereinbaren?

Zum Thema Green Deal wurde insbesondere auf die schwierigen Verhandlungen und fortwährenden Differenzen zwischen den industriellen Zielen der Agrarwirtschaft und dem Naturschutz und der ökologischen Landwirtschaft aufmerksam gemacht. Dr. Toni HOFREITER lobte die schönen Bildpräsentationen während der Rede zum Erhalt der Artenvielfalt, bemängelte aber den ausbleibenden Fortschritt diesbezüglich. Es gebe im Rat keine Mehrheiten für Änderungen, dabei spiele der Bauernverband eine äußerst ambivalente Rolle als Lobbyorganisation. Die Interessen der lokalen Landwirte seien dabei weniger im Blick als die der Agrarindustrie. Es sei eine sehr schwierige konfrontative Situation zwischen den beiden Lagern, und es wäre hervorragend, wenn sich hier etwas zum Positiven bewegen würde, so der grüne EU-Experte im Deutschen Bundestag.

Wie schafft die EU mehr Nähe zu den Menschen?

Felix SPROLL kritisierte, dass das Thema „Bürgernähe“ nicht in der Rede zur Sprache kam. Es gebe zwar viele schöne Bürgerprojekte, auch für die Jugend. Wenn aber zusammengetragene Ergebnisse und Wünsche nicht umgesetzt würden, gehe das Vertrauen in solche Aktionen verloren. Der Münchner Stadtrat forderte, die Menschen stärker einzubinden und für maximale Transparenz zu sorgen. 


Wie kann sich die Situation für Migrantinnen und Migranten in der EU verbessern?

Marcos MOSCHOVIDIS forderte mehr Humanität beim Thema Migration. Die in der Rede erwähnten Fortschritte könne er nicht bestätigen. Könne man dem Fachkräftemangel nicht begegnen, indem man das Potenzial der Geflüchteten nutze? Der Digital Creator und Gründer von #EUforYou bemängelte, dass zwar über den Handel in Afrika gesprochen wurde, nicht aber darüber wie die Prozesse an den EU-Außengrenzen ablaufen sollen.


Was beschäftigte das Publikum nach der Rede?

Es kamen viele Wortmeldungen aus dem Publikum zu sehr unterschiedlichen Themen. Den Gästen fehlte in der Rede das Thema Rechtsstaatlichkeit auch im Hinblick auf eine neue EU-Erweiterung, die Veränderung des Einstimmigkeitsprinzips beim Thema Außenpolitik und die Verbesserung der Migrationssituation, Dabei interessierte das Publikum vor allem die von der Kommissionspräsidenten angekündigte Antisubventionsuntersuchung betreffend E-Autos aus China und die deutsche Wirtschaftspolitik und welche EU-Maßnahmen hier konkret geplant wären ohne dabei einen Handelskrieg zu entfachen? Auch die geplante KI-Verordnung, die geringe Zahl an Patenten und die Abhängigkeiten der EU in diesem Bereich - vor allem im Hinblick auf die Bedrohungen in Taiwan - waren ein dominierendes Thema.

Dr. Toni HOFREITER bedauerte in der Diskussion, dass in der Europapolitik unglaublich viel voranschreiten würde, es aber zu wenig Berichterstattung darüber gebe, weil sich die Menschen nun mal mehr für Auseinandersetzungen und negative Nachrichten im eigenen Land interessieren würden. Er plädierte dafür, mehr über den Tellerrand zu schauen, der EU-Politik und den Maßnahmen in anderen Mitgliedstaaten unbedingt mehr Beachtung zu schenken. Wichtig sei es aber auch, die Bürgerbeteiligung ernst zu nehmen! Die prodemokratischen Kräfte müssten sich noch stärker darum bemühen, der Macht der Propaganda entgegenzuwirken. Er verwies dabei auf bereits bestehende wichtige EU-Maßnahmen wie die Regulierung der Algorithmen und plädierte dafür auf allen Ebenen noch transparenter zu werden. Demokratische Parteien müssten mit stumpfem Populismus aufhören, sonst beschädige man massiv das Vertrauen der Menschen, und die finanziellen Quellen der Feinde demokratischer Institutionen müssten beschnitten werden. Man müsse mit Härte gegen die Verbreitung von rechtspopulistischen Verschwörungsmythen auf Social Media vorgehen und die Demokratie verteidigen! Jeder der dies verbreite schade der Demokratie und damit dem Wohlstand in unserem Land, so der EU-Experte aus dem Bundestag.

Felix SPROLL von der paneuropäischen Partei VOLT machte sich für eine eigene europäische Steuerkompetenz stark, damit Notsituationen nicht mehr durch Schulden finanziert werden müssten. Um weltpolitisch ein Gewicht zu haben, sprach er sich für ein gemeinsames EU-Außen- und Finanzministerium aus.

Marcos MOSCHOVIDIS rief die Mitgliedstaaten dazu auf, EU-Fördertöpfe stärker auszuschöpfen, damit die Bürgerinnen und Bürger stärker davon profitieren können. Aktuell würden nur 60-70% ausgeschöpft.

Alle Experten waren sich am Ende der Diskussion einige und wandten sich mit folgendem Appell an die Gäste: Gehen Sie bitte bei der Europawahl 2024 zahlreich wählen, motivieren Sie Ihre Familie, Freunde und Bekannten zur Wahl und wählen Sie vor allem demokratisch - zur Verteidigung unserer Freiheit und unseres Wohlstandes!

Die Veranstaltung wird traditionell Mitte September im Café Luitpold in München durchgeführt - diesmal erfolgte sie in Kooperation mit dem Europe Direct München